Für das außergewöhnliche Gebäude, das nicht nur im Stadtbild Passaus, sondern auch in ganz Deutschland einmalig ist, wurde eigentlich nie eine Genehmigung erteilt – ausgeheckt hat es ein findiger italienischstämmiger Passauer namens Aristide Ostuzzi. Er reichte 1901 bei den städtischen Behörden die Pläne für ein dreigeschossiges, sehr schlichtes Haus ein, das darum auch direkt genehmigt wurde. Was in den Jahren 1902 bis 1903 entstand, war allerdings alles andere als schlicht – ein Meisterwerk unterschiedlicher Architekturstile und reich verzierten Fassade.
Die Glasscherbenvilla – ein architektonischer Hingucker
Im Bayerischen Wald war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine sehr bescheidene Fassadendekoration üblich. Doch der Bauherr – nach dem das dreistöckige Gebäude offiziell in Ostuzzi-Villa benannt wurde – ließ sich beim dekorieren seiner Fassade wohl von fürstlichen Grottenbauten aus Renaissance und Barock inspirieren. Er trieb das Dekor seiner Fassade wahrlich auf die Spitze, denn sie wurde komplett mit farbigen Porzellanstücken und Glasscherben verziert. Bei genauem Hinsehen könnt ihr Teller, Krüge und Terrinen, aber auch zerbrochene Heiligen- und andere Figuren erkennen.
Alles funkelt und glitzert in der Sonne, doch die Scherben wurden keineswegs einfach wahllos aufgeklebt. Der Erbauer hat große Kunst walten lassen und die kleinen glitzernden Teile zu geometrischen Blumenornamenten und Mustern zusammengefügt. Das Material für sein Märchenschloss, das es theoretisch nie hätte geben dürfen, stammt aus dem Abfall von Glashütten aus der Region – eine meisterhafte Art des Recyclings. Da die Seitenfassaden teilweise von angrenzenden Gebäuden verdeckt werden, wurde dieser etwas weniger aufwendig gestaltet, an der Rückwand finden sich gar keine Verzierungen.
Doch nicht nur die Fassade macht das Bauwerk zu einem Passauer Highlight, auch die gesamte Architektur lohnt einen genauen Blick. Ostuzzi, nach dem auch die Straße in der sein Werk steht benannt wurde, vereinte hier ganz im Sinne des Eklektizismus mehrere Stile miteinander. So lassen sich Elemente der Renaissance ebenso finden, wie die des Barock und auch ein früher Übergang zum Jugendstil. Es besteht aus einem Zwerchhaus und zwei Erkern mit markanten Turmhelmen.
Geschichte und Nutzung
Die Glasscherbenvilla wechselte vor allem aufgrund von Erbstreitigkeiten inzwischen bereits mehrfach seinen Besitzer. Zuletzt wurde es im Jahr 2016 von einem Passauer Privatmann erworben. Genutzt wird es nach wie vor als Wohnhaus. Seine gesamtwohnfläche beträgt 476 Quadratmeter, diese teilt sich jedoch in 10 eher kleine Wohneinheiten auf, von denen die im ersten, zweiten und dritten Stock jeweils über Erkerzimmer verfügen. Im Jahr 2000 wurde das etwas baufällig gewordene Kunstwerk aufwendig restauriert, vor allem an der Fassade waren etliche Arbeitsschritte erforderlich, die hohe Kosten verursachten. Doch dabei wurde auch festgestellt, dass zwar extravagant, aber handwerklich sehr solide gearbeitet wurde. Beteiligt war an der Sanierung auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz. Im Zuge dieser Restaurierung konnte auch die Turmhelme wieder aufgesetzt werden, die wegen Schadhaftigkeit bereits früher abgenommen werden mussten.
Adresse
Ostuzzistraße 3, 94032 Passau