In dieser Stadt hat so manches aus dem Mittelalter überlebt. In Bretten, der Kreisstadt vor den Toren von Karlsruhe, führen noch immer Nachtwächter und Türmer die Besucher durch die historischen Gassen. Und weil dort die Erinnerung gehegt und gepflegt wird, hat sich Bretten auch einen Namenszusatz geleistet: Melanchthonstadt. Damit wird ein Mann gewürdigt, der hier an einem Tag im Februar 1497 zur Welt kam und einer der bedeutendsten religiösen Reformatoren seiner Zeit war. In Bretten wurde nach eben diesem Philipp Melanchthon ein Gymnasium und eine Akademie benannt, und in der altehrwürdigen Stiftskirche befindet sich eine Melanchthon-Statue. Da diese Gemeinde stolz auf ihren Sohn ist und weil man hier auf Schritt und Tritt auf Zeugnisse des Mittelalters trifft, veranstaltet Bretten alljährlich am ersten Wochenende im Juli das Peter-und-Paul-Fest.
Nun sind es weniger religiöse und eher weltliche Gründe, die dazu führten, dass ein paar Tage nach dem traditionsreichen Peter-und-Paul-Hochfest der römisch-katholischen Kirche in Bretten das Mittelalter auflebt. Vielmehr wird an diesem sommerlichen Tag in der kleinen Gemeinde daran erinnert, dass das Jahr 1504 den Menschen dieser Region das Ende der Belagerung während des bayrisch-pfälzischen Erbfolgekriegs geschenkt wurde. Die Tradition dieses Festes will es, dass Bürger zu den Waffen greifen, die im Alltag eher ganz normalen Berufen nachgehen. Dabei legen alle Beteiligten Wert darauf, dass dies alles authentisch ausschaut und den historischen Vorgaben dieser Zeit entspricht.
Um die 120.000 Schaulustige stellen sich an den mittelalterlichen Tagen zwischen Freitag und Sonntag in Bretten ein. Dabei ist der sogenannte „Schäfersprung“ ein ganz besonders farbenprächtiges und lebhaftes Spektakel. Auch dieser wichtige Programmpunkt des Peter-und-Paul-Festes geht auf ein längst vergangenes Ereignis zurück. Überlieferten Zeugnissen zufolge soll es bis Mitte des 17. Jahrhunderts in Bretten einen Schäfermarkt gegeben haben, zu dem sich die Schäfer der gesamten Umgebung zu einem Lauf versammelten. Als nach den Wirren des Zweiten Weltkriegs in Bretten darüber nachgedacht wurde, wie man dem historischen Fest neues Leben in alten Gewändern einhauchen könnte, erinnerte man sich der einstigen Schäfergruppe.
Historisch, heiter und fotogen: Das Peter-und-Paul-Fest in Bretten
Mit dem Fest Peter und Paul hat das mittelalterliche Treiben in Bretten eher am Rande zu tun, auch wenn das Gedenken an die Apostel bereits im sechsten Jahrhundert aus dem damaligen Konstantinopel in die Alte Welt herüberschwappte. In Preußen wurde Peter und Paul als Feiertag bereits im Dezember 1796 aufgrund eines Dekrets Friedrich Wilhelm III. abgeschafft. Das alles hindert die Brettener aber nicht daran, ihre mittelalterlichen Traditionen mit den Namen der Heiligen zu verknüpfen. Vielmehr stellen sie jene Tage nach, an denen sich die Belagerten befreiten und die Einwohner unter dem Pfeiferturm und dem Simmelturm tanzten.
Im Mittelpunkt des interessanten Geschehens stehen beim Peter-und-Paul-Fest in Bretten fünfzig historische Gruppen, die nicht nur aus der Kreisstadt kommen sondern auch aus der näheren und weiteren Umgebung des westlichen Kraichgaues. Die Organisation liegt in der Verantwortung der Vereinigung Alt-Brettheim in Zusammenarbeit mit der Stadt Bretten. Alle drei Festtage stehen unter einem Motto. Die szenischen Darstellungen beginnen am Freitag mit dem Motto „Brettheim rüstet sich“. Brettheim war der Name der Gemeinde zum Zeitpunkt der Belagerung. Er geht vermutlich auf Bruno von Bretten, Erzbischof von Trier zurück, der im 11. und 12. Jahrhundert amtierte.
Der Fest-Samstag bringt jene Brettener auf den Plan, die – wenn auch wenig kriegerisch und angsteinflößend – zu den historischen Waffen greifen und sich gegen die Belagerer stellen. Und nachdem die „Befreiung“ vom Joch gelungen ist, wird in den alten Mauern der Stadt kräftig gejubelt unter dem Motto „Brettheim huldigt dem Kurprinzen und feiert seinen Sieg“. Der Sonntag beschert der Gemeinde nach dem traditionellen „Wecken“ durch die Bürgerwehr ein farbenfroher Festumzug. Dies ist der fotogene Teil der dreitägigen Veranstaltung, und weil die Brettener von ihren bewegten Tagen im Juli nicht genug bekommen können, versammeln sich einige Gruppen auch noch am Montag zum Festessen und zur Musik.
In der Brettener Sporgasse treffen sich beim Peter-und-Paul-Fest Jung und Alt in einem Vergnügungspark mit diversen Fahrgeschäften, Buden und einem Festzelt. Fröhlich und musikalisch geht es auch vor der Bühne auf dem Marktplatz sowie im Melanchthonhaus zu, und am Samstagabend richten sich die Blicke aller Besucher zum Himmel, wenn dort das Feuerwerk die Nacht erhellt. Seit dem Jahr 2014 sind die Organisatoren des Festes stolz darüber, dass diese historische Veranstaltung durch die Konferenz der Kultusminister Einzug hielt in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes.