Schon auf dem Marktplatz in Bremen, von dem die Böttcherstraße abzweigt, ist das Glockenspiel mit seinen zarten maritimen Klängen zu hören. Folgt Ihr der Melodie und biegt in die historische Gasse ein, werdet Ihr vom besonderen Charme der Böttcherstraße empfangen.
Einst galt die einhundertzehn Meter lange Straße als wichtige Verbindung zwischen Weser und Marktplatz. Besonders im Mittelalter waren die Handwerker und Händler der Hansestadt dort ansässig und gingen ihrem Geschäft nach. Ihren Namen erhielt die Böttcherstraße von den „Böttchern“, die in der Gasse ihre Fässer und anderen Holzgefäße herstellten und verkauften. Um 1902 herum erwarb der Bremer Kaffeekaufmann Ludwig Roselius nach und nach die Grundstücke und Häuser in der Böttcherstraße und nahm deren Gestaltung und Restauration in die Hand, so auch das „Haus des Glockenspiels“ und das benachbarte „Roselius-Haus“. Auf der Suche nach einer besonderen Attraktion für seine Böttcherstraße wurde Ludwig Roselius wahrscheinlich im Jahre 1930 auf einer Ausstellung in Dresden auf die Möglichkeit eines Glockenspiels unter freiem Himmel aufmerksam. Das dort gezeigte Spiel mit vierzig Porzellanglocken in einem freistehenden Turm beeindruckte ihn dermaßen, dass er beschloss, in Bremen ebenfalls ein solches aufbauen zu lassen.
Um sich jedoch von den schon existierenden Glockenspielen abzuheben, beschloss Roselius, zusätzlich ein sich bewegendes Figurenspiel zu installieren. Die zehn geschnitzten Holztafeln, die die Geschichte der Atlantiküberquerung erzählen, sollten sich zum Klang der Glocken drehen. Die Überwindung der Ozeane hatte für Bremen als Hafenstadt schon immer eine große Bedeutung. Nach einer rund vierjährigen Vorbereitungszeit wurden im Jahre 1934 dreißig Porzellanglocken in ein kupfernes Rankenwerk gehängt, das zwischen den Giebeln zweier alter Lagerhäuser befestigt war. Die beiden alten Lagerhäuser waren zuvor umgebaut worden und das „Haus des Glockenspiels“ entstand.
In einem eigens dafür errichteten Turm am benachbarten „Roselius-Haus“ wurden die Holztafeln mit den eingeschnitzten Figuren der Seefahrer und Flugpioniere eingebaut. Die aufwendige Mechanik dieser Drehkonstruktion ist noch heute unverändert in Betrieb. Das erste Glockenspiel bestand aus dreißig Meißner Porzellanglocken, die außen blau und innen vergoldet waren. Sie wurden nicht von innen mit einem Klöppel angeschlagen, sondern von außen mit einem kleinen Kunststoffhammer, der sich nach dem Treffmoment sofort wieder zurückzog, damit die Glocke ungehindert schwingen konnte. Die maritime Liedfolge, die immer mit dem Westminsterschlag beginnt, wurde mechanisch über eine Walze mit Metallnoppen übertragen. Während des Zweiten Weltkriegs fielen zahlreiche Glocken den Bomben zum Opfer, nur acht von ihnen blieben unbeschadet.
Nachdem die Böttcherstraße wiederaufgebaut worden war, wurde 1954 ein zweites Glockenspiel aus weißen Porzellanglocken in das noch vorhandene Rankwerk eingehängt. Nach weiteren dreißig Jahren klang das Spiel verstimmt, die Glocken mussten teilweise ersetzt werden. Die komplette Erneuerung und somit das dritte Glockenspiel kam im Jahre 1990, nachdem die Sparkasse die Böttcherstraße erworben hatte. Die Spieltechnik wurde nun auf computergesteuerte Mechanik umgestellt, die Signalübertragung erfolgt seitdem über Midi-Dateien. Nach wie vor drehen sich die Holztafeln zum Klang der Glocken und machen einen Besuch beim „Haus des Glockenspiels“ zu einem besonderen Erlebnis. Lasst Euch beim Besuch in Bremen vom historisch hanseatischen Zauber des Glockenspiels beeindrucken!
Adresse
Böttcherstraße 4-6, 28195 Bremen