Wer sich hierfür interssiert, lässt sich gewiss kein „X“ für ein „U“ vormachen: Das Buchstabenmuseum Berlin hat sich der Rettung, Bewahrung und Konservierung großer Lettern gewidmet – also jenen Konstruktionen, die wir tagtäglich in Form von Leuchtreklamen oder Fassaden-Inschriften wahrnehmen, ohne sie irgendwann noch bewusst zu beachten.
Das Buchstabenmuseum: Kleinod im Hansaviertel
Dass die erste Sonderausstellung nach jahrelanger Schließung, eröffnet im November 2019, „Die Schriften des Hansaviertels“ zum Thema hat, ist mitnichten ein Zufall: In ebenjenem Hansaviertel ist das Buchstabenmuseum beheimatet, es residiert nunmehr in den Arkaden-Bögen unter dem S-Bahnhof „Bellevue“. Das Hansaviertel, errichtet ende der 1950er Jahre, war ein Leuchtturmprojekt der Moderne – und dort gaben sich die die neusten Moden der Reklame und Fassadenbeschriftung ein Stelldichein.
Relikte einer schnell-lebigen Zeit
Neue Moden werden von noch moderneren Neuheiten verdrängt, Schriften und Leuchtkörper gehen irgendwann kaputt. Und wenn in einem Ladenlokal die Geschäfte wechseln, hat auch die alte Inschrift ausgedient: Die Buchstaben werden ausgetauscht, abmontiert und danach achtlos verschrottet oder im Müll entsorgt. Dahin ist die verspielte Leichtreklame der alten Eisdiele aus der Wirtschaftswunderzeit. Buchstabenkunst als Wegwerf-Artikel.
Diesem achtlosen Traiben konnte Barbara Dechant, Gestalterin aus Wien, irgendwann nicht mehr zuschauen. „Globalisierung und Standardisierung lassen regionale Traditionsbetriebe und Einzelhandel verchwinden – und mit ihnen ihre handwerklich hergestellte Schriftzüge. Individuell und hochwertig gestaltete Ladeninschriften werden immer seltener – sie müssen bewahrt werden„, so ihr Credo. Mit Gleichgesinnten rettete sie Hunderte von Buchstaben vor dem Schmelzofen oder der Müllhalde. Rettender Hafen dieser originellen Rettungsaktion wurde ab 2005 das Buchstabenmuseum – zunächst in der Flensburger Straße, nun eben direkt unter den B-Bahn-Arkaden am Bahnhof Bellevue.
Und so tummeln sich im „Stadtbahnbogen 424“ (so die offizielle Postadresse) nicht nur die mannshohen „Serifen“ vom Redaktionshaus „Der Tagesspiegel“ oder die blauweiße Reklame der „Markthalle“ am Alexanderplatz oder die betont schmucklose „Sans-Serif“ Neunreklame des „Möbelhaus Kern“, sondern auch eine verspielte Werbung für das Zoogeschäft „Zierfische“. Piktogramme sind hier ebenso zu sehen wie alte Straßenschilder.
Buchstäbliche Hintergrund-Recherchen
Buchstaben retten und zusammentragen ist eine Sache – sie zu würdigen eine ganz andere: Jedes einzelne dieser technischen Kunstwerke ist irgendwann einmal erdacht, geplant, entworfen und schließlich hergestellt worden – in einem Stück oder aus zig Einzelteilen, Die Museumscrew geht auch dieser oft vergessenen Geschichte nach. Oft kann eine Inschrift schon durch ihre Machart einem bestimmten, oft spezialisierten und international bekannten Hersteller zugeordnet werden, andere wurden in längst geschlossenen kleinen Hinterhof-Betrieben gefertigt und montiert.
Öffnungszeiten
Das Buchstabenmuseum ist Donnerstags bis Sonntags von jeweils 13 bis 17 Uhr geöffnet.
Eintrittspreise
Der Eintrittspreis beträgt 12 Euro, ermäßigte und Gruppenbilletts 6,50 – Kinder bis 14 Jahre haben freien Eintritt. Der etwas hohe Eintrittspreis rechtfertigt sich dadurch, dass dieses Museum (da privat betrieben und finanziert) keine öffentliche Förderung bezieht – möge dem Senat ein Neon-Licht aufgehen…
Adresse
Stadtbahnbogen 424, 10557 Berlin